24. Januar 2022

Therapiepalette bei fortgeschrittenem Parkinson

Im Verlauf der Parkinson-Erkrankung lassen sich Krankheitssymptome irgendwann mit Tabletten nicht mehr so gut eindämmen. Eine der Ursachen hierfür ist eine verringerte Aktivität der Magenmuskulatur. Eingenommene Tabletten bleiben nun länger im Magen liegen und können sich auch aufstauen, so dass zu einem späteren Zeitpunkt gleich mehrere auf einmal weiterbefördert werden und über den Darm in den Organismus gelangen. In der Folge kommt es zu Wirkschwankungen: Liegt zu wenig Wirkstoff vor, können OFF-Phasen mit Problemen wie Muskelsteifheit und Unbeweglichkeit auftreten. Bei zu viel Wirkstoff sind Symptome wie unwillkürliche Überbewegungen möglich.

Nicht orale Folgetherapien

Möglicherweise kann dann eine von drei sogenannten nicht oralen Folgetherapien infrage kommen. Zwei dieser Optionen umgehen den Weg des Wirkstoffs durch den Magen-Darm-Trakt. Bei der kontinuierlichen Levodopa-Pumpentherapie wird der Wirkstoff Levodopa als Gel über eine Medikamentenpumpe gleichmäßig direkt in den Dünndarm geleitet. Dafür ist eine Sonde notwendig, die in einem Routineeingriff gelegt wird. Die Pumpe wird in einem speziell dafür vorgesehenen Tragesystem verstaut und mitgeführt. Bei der kontinuierlichen Apomorphin-Pumpentherapie wird der Wirkstoff Apomorphin mit einer Pumpe über einen Schlauch und eine Nadel unter die Haut verabreicht. Die Nadel wird täglich neu in die Bauchdecke gestochen. Die Pumpe kann am Gürtel oder um den Hals getragen werden. Das dritte Verfahren ist die Tiefe Hirnstimulation. Hierbei werden überaktive Hirnareale mittels elektrischer Impulse reguliert. In einem chirurgischen Eingriff werden dafür in bestimmten Gehirnregionen Elektroden eingebracht. Sie werden durch unter der Haut verlaufende Kabel mit einem in Schlüsselbeinnähe implantierten Stimulator verbunden. Unter www.parkinsonvideo2.de finden Sie ein Video, das alle drei Therapieformen erläutert.

Bereicherung der Therapiepalette

Viele Parkinson-Betroffene haben zunächst großen Respekt vor den beschriebenen Therapieoptionen. Tatsächlich können Erkrankte und auch Angehörige durch sie jedoch wieder an Lebensqualität gewinnen und ihren Alltag aktiver gestalten. Alle drei Behandlungsformen seien eine großartige Bereicherung der Therapiepalette bei Parkinson, sagt auch der Berliner Neurologe Dr. Reinhard Ehret im Patientenmagazin PARKOUR (Sonderausgabe Aug. 2020). Viele Patientinnen und Patienten, die früher schwer zu behandeln waren, Beschwerden und Komplikationen hinnehmen mussten oder gar als „austherapiert“ galten, würden sehr von diesen Behandlungsmöglichkeiten profitieren.

Aufklärung und Faktenwissen sind wichtig

Wichtig findet der Facharzt, Erkrankte früh behutsam darauf vorzubereiten, dass die zunächst gute Medikamentenwirkung im Verlauf der Erkrankung nachlässt und Wirkschwankungen auftreten können. Ebenso ratsam sei, sie frühzeitig über spätere Optionen zu informieren. Das würde Betroffenen und ihren Angehörigen aufzeigen, dass sie die verminderte Wirkung der oralen Therapie nicht einfach hinnehmen müssen.

Eine gute Aufklärung räumt auch falsche Vorstellungen aus dem Weg, zum Beispiel die Befürchtung, durch die Entscheidung für eine Medikamentenpumpe auf eine Pflegeperson angewiesen zu sein. Realistische Vorstellungen und Faktenwissen schützen auch davor, dass Berichte über vermeintliche Nachteile oder Komplikationen von nicht oralen Folgetherapien verunsichern. Über die Erfolge dieser Therapien wird hingegen seltener gesprochen. Dabei würden viele Patientinnen und Patienten durch die erweiterten Therapien wieder an Lebensqualität gewinnen, betont Dr. Ehret im PARKOUR.

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