Mit Karate und Tanz im Gleichgewicht

Autor: Petra Sperling | 03/2018

Disclaimer: Text aus dem Jahr 2014 und wurde seitdem nicht mehr überarbeitet.

Für eine Erhebung der Universität Regensburg trainierte eine speziell zusammengestellte Gruppe ein halbes Jahr lang einmal wöchentlich professionell angeleitet Karate. Von 24 Teilnehmern hatten 16 Parkinson, das Durchschnittsalter lag bei 70 Jahren. Eine ähnlich zusammengesetzte Gruppe absolvierte parallel ein Tanztraining. Mit ihrer Studie möchten die Psychologinnen Prof. Dr. Petra Jansen vom Lehrstuhl für Sportwissenschaft und Dr. Katharina Dahmen Zimmer vom Institut für Psychologie herausfinden, ob und wie Menschen mit Parkinson von Karate und Tanz profitieren können.

Karate und Tanz wirken sich positiv auf Körper und Geist aus.

Warum haben Sie Karate und Tanz gewählt?

Dr. Katharina Dahmen-Zimmer:

Beide Bewegungsformen sprechen mehrere Bereiche an: Beweglichkeit, Koordination und Gleichgewicht werden gestärkt, indem die Trainierenden gezielte Schritte setzen und Drehungen machen. Ebenso schult es das Gleichgewicht, wenn man sich auf einem Bein stehend ausbalancieren muss, während man mit dem freien Fuß eine Aktion wie einen Tritt ausführt. Wahrnehmung und Denken werden gefördert, da Karate und Tanz den ganzen Körper ansprechen und die beiden Gehirnhälften zusammenarbeiten müssen. Zudem müssen sich die Akteure Bewegungsabfolgen merken und auf ein Gegenüber reagieren. Das fördert die geistige Fitness und die Reaktionsschnelle.

Darüber hinaus wirken Karate und Tanz positiv auf die Psyche. Etwas Neues zu lernen und dabei Spaß zu haben hebt die Stimmung. Es tut den Teilnehmern gut, wenn sie erleben: Sie können ein durchaus anspruchsvolles Training bewältigen. Ihr Selbstbewusstsein wächst, wenn sie erkennen: Ich bin nicht allem ausgeliefert, sondern kann selbst etwas dazu beitragen, dass es mir besser geht. Das gemeinsame Training mit anderen ist dabei ein zusätzlicher Pluspunkt.

Auf was haben Sie im Einzelnen geachtet?

Prof. Dr. Petra Jansen:

Die Probanden haben vor und nach der Trainingsphase verschiedene Tests absolviert und Fragebögen ausgefüllt. Die Ergebnisse vergleichen wir miteinander. Veränderungen im Gleichgewicht lassen sich zum Beispiel daran messen, wie lange jemand auf einem Bein stehen kann. Auswirkungen auf die geistigen Fähigkeiten erkennen wir, indem wir Fähigkeiten wie Informationsverarbeitung, Erinnerungsvermögen und räumliches Denken testen. Für Aussagen über die psychische Befindlichkeit haben wir die Teilnehmer befragt, ob, wann und wie oft sie zum Beispiel traurig oder glücklich waren.

Wie haben Sie die Teilnehmer im Training erlebt?

Dr. Katharina Dahmen-Zimmer:

Anfangs waren alle sehr vorsichtig. Wir Trainer waren natürlich gerade beim Karate auch sehr auf Sicherheit bedacht. Damit sich niemand verletzt, falls er fallen sollte, haben wir auf dicken Matten trainiert. Wir haben jedoch gesehen: Wenn man es vorsichtig und langsam angeht, können Menschen mit Parkinson ein ganz normales Karatetraining absolvieren. Man muss dabei im wahrsten Sinne nicht hoch hinaus wollen. Die Standfestigkeit wird bereits trainiert, wenn man einen Fuß leicht anhebt, nach vorne tritt und ihn wieder zurückzieht.

Insgesamt waren alle Probanden begeistert bei der Sache. Sie haben schnell als Gruppe zusammengefunden und sich gegenseitig unterstützt. Viele möchten weitermachen. Und alle haben sich wirklich hervorragend gemacht. Wir haben viel Hochachtung insbesondere vor denen, die trotz Parkinson mitgemacht und sich etwas zugetraut haben.

Haben Sie schon erste Erkenntnisse?

Prof. Dr. Petra Jansen:

Noch werten wir die Daten aus. Daher können wir nur subjektive Aussagen einzelner Teilnehmer wiedergeben. Die sind durchweg positiv. So finden einige, ihr Gleichgewicht habe sich verbessert. Andere meinten, sie würden sich durch das Training energievoller und unternehmungslustiger fühlen.

Wenn das Wohlbefinden stimmt, gibt es so gut wie keine Einschränkungen.

Karate und Parkinson – diese Kombination ist überraschend. Eignet sie sich für jeden?

Prof. Dr. Petra Jansen:

Für unsere Studie haben wir nach den Regeln des Deutschen Karateverbands trainiert. Dabei lernen die Akteure bewusste und gezielte Bewegungen wie Faustschläge, Fußtritte und Abwehrreaktionen. Sie dienen der Gesundheit und können zur Selbstverteidigung angewendet werden. Es wird aber möglichst berührungsfrei trainiert, damit der andere nicht verletzt wird. Auf dieser Basis konnten die Probanden die regulären Techniken üben. Es gibt also so gut wie keine Einschränkungen, solange man sich wohl dabei fühlt. Wer Interesse hat, sollte jedoch zur Sicherheit zuvor mit seinem Arzt sprechen.

Was geben Sie Menschen mit Parkinson generell mit auf den Weg?

Dr. Katharina Dahmen-Zimmer:

Ganz gleich wie: Sie sollten möglichst in Bewegung bleiben oder kommen. Besonders vorteilhaft ist es, etwas neu zu lernen und dabei seine Fortschritte zu erleben. Positiv ist auch, sich mit jemandem zusammenzuschließen. Deshalb haben in unseren Gruppen teilweise die gesunden Partner mittrainiert und mitgetanzt. Schließlich zählt, sich regelmäßig zu bewegen. Im philosophischen Hintergrund des Karate heißt es dazu: „Das Wasser muss warm gehalten werden.“

Dr. Katharina Dahmen-Zimmer Mit Karate und Tanz im Gleichgewicht  setzt in ihrer Arbeit Schwerpunkte im Bereich angewandte und experimentelle Psychologie. Als ausgebildete und erfahrene Karatetrainerin war sie im Trainerteam der Studie aktiv.

Prof. Dr. Petra Jansen Mit Karate und Tanz im Gleichgewicht ist Inhaberin des Lehrstuhls für Sportwissenschaft der Universität Regensburg. In ihrer Forschung interessiert sie sich besonders für die Bereiche Bewegung, Wahrnehmung und Denken.

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