Therapiemöglichkeiten bei fortgeschrittenem Parkinson
Die hauptsächlichen Auswirkungen einer Parkinson-Erkrankung und viele typische Begleiterscheinungen können mit Tabletten gut eingedämmt werden. Lässt ihre Wirkung bei fortgeschrittenem Parkinson nach, können andere Therapien helfen.
Autor: Petra Sperling | 03/2018
Disclaimer: Text aus dem Jahr 2014 und wurde seitdem nicht mehr überarbeitet.
Prof. Dr. Andreas Kupsch ist Neurologe mit eigener Praxis in Berlin und Leiter der Basalganglienforschung der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg
Bei Parkinson mangelt es im Gehirn an Dopamin. Dieser chemische Botenstoff ist insbesondere für die Beweglichkeit wichtig. Bislang lässt sich die Erkrankung nicht aufhalten. „Durch die zunehmenden Veränderungen wirken die eingenommenen Parkinson-Medikamente nach etwa fünf bis acht Jahren oft nicht mehr so gut und es kommt zu Wirkschwankungen“, weiß
Sind zu manchen Zeiten zu viele Wirkstoffe aktiv, leiden die Betroffenen unter unwillkürlichen Überbewegungen. In Phasen, in denen es an Wirkstoffen fehlt, sind sie steif und können sich nicht richtig bewegen. „Allein mit Tabletten lassen sich diese Wirkschwankungen trotz großer Sorgfalt bei der Therapiegestaltung meistens nicht mehr ausreichend behandeln. Wir haben jedoch weitere Möglichkeiten, um den Betroffenen zu helfen“, erklärt der Neurologe.Drei Therapien gegen Wirkschwankungen
Eine Möglichkeit ist die kontinuierliche Infusion von Levodopa, kurz L-Dopa. Für eine gleichmäßige Wirkung kann L-Dopa über eine
in den Dünndarm geleitet werden. Der Weg des Wirkstoffs durch den Magen wird damit umgangen. Bei fortgeschrittenem Parkinson ist das ein Vorteil, da der Verdauungstrakt oft verlangsamt arbeitet und oral eingenommene Tabletten somit weniger zuverlässig wirken. In Deutschland ist der Einsatz von Medikamenten-Pumpen in den Behandlungsleitlinien für Parkinson verankert. Diese Empfehlungen der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften sollen Ärzten bei ihren Therapieentscheidungen helfen. Sie beruhen auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und in der Praxis bewährten Verfahren.Eine andere Möglichkeit ist, das Parkinson-Medikament Apomorphin über eine
unter die Haut zu verabreichen. Dabei muss es ebenfalls nicht durch Magen und Darm gelangen. Bei akuten Bewegungsproblemen kann Apomorphin als Notfallmedikament auch gespritzt werden.Die dritte Möglichkeit ist die Tiefe
. Hierbei werden in einer mehrstündigen Operation zwei Elektroden in bestimmte Hirnareale eingebracht. Über ihre elektrischen Impulse werden überaktive Gehirnbereiche reguliert und dadurch Wirkschwankungen reduziert.Alle drei Therapieverfahren können helfen, die Wirkschwankungen einer fortgeschrittenen Parkinson-Erkrankung zu behandeln und sind in den Behandlungsleitlinien für Parkinson verankert. Sie können aber auch schon zu einem früheren Zeitpunkt wirksamer sein als Tabletten. „Für die Tiefe Hirnstimulation ist das wissenschaftlich nachgewiesen“, informiert Prof. Kupsch. „Eine Studie zeigt klar, dass man diese Methode nicht erst im fortgeschrittenen Stadium einsetzen sollte.“ Für die beiden Medikamenten-Pumpen sei das in dieser Form derzeit nicht nachgewiesen, weiß der Experte.
Rechtzeitig die beste Strategie nutzen
In der Praxis würden beide Pumpentherapien häufig erst sehr spät eingesetzt. „Dabei gibt es grundsätzlich kein Argument dafür, sie möglichst lange aufzuschieben“, findet Prof. Kupsch. „Wir haben bei Parkinson kein Bausparprinzip. Es bringt nichts, jetzt an Wirkstoffen zu sparen, um in Zukunft bessere Möglichkeiten zu haben. Eine hohe L-Dopa-Dosis etwa birgt ein Risiko für vermehrte Überbewegungen. Schiebe ich die höhere Dosierung über eine Pumpe jedoch auf, können sich die Betroffenen nicht gut bewegen. Später kann ich ihnen dann zwar mehr L-Dopa geben. Im Verlauf der Erkrankung nehmen jedoch auch die Überbewegungen zu. Der Patient hat somit zu keinem Zeitpunkt die Lebensqualität erfahren, die vorher gegebenenfalls möglich gewesen wäre.“
Der Austausch mit anderen kann die eigene Entscheidung erleichtern.
Gute Beratung ist das A und O
Ärzte sollten Parkinson-Betroffene, die an Wirkschwankungen und Überbewegungen leiden, daher frühzeitig über die drei Therapiemöglichkeiten aufklären und jeweils Vor- und Nachteile erläutern, fordert der Berliner Neurologe. „Darüber hinaus kann es Betroffenen helfen, sich mit anderen auszutauschen, die bereits Erfahrungen mit diesen Behandlungsmöglichkeiten gesammelt haben.“ Kontakte vermitteln Ärzte, örtliche Selbsthilfegruppen und die Deutsche Parkinson Vereinigung (dPV).
Hilfreiche zweite Meinung
„Niemand sollte sich scheuen, eine zweite Meinung einzuholen“, ermutigt Prof. Kupsch. „Denn: Der Arzt berät – der Patient entscheidet. Mit einem zweiten Parkinson-Spezialisten zu sprechen kann Betroffenen und Angehörigen helfen, sich informiert und mit einem gutem Gefühl für einen speziellen Therapieweg zu entscheiden.“
Video zu Wirkschwankungen
www.abbvie-care.de/parkinson erläutert anschaulich, wie sich Wirkschwankungen im Alltag bemerkbar machen können und warum es wichtig ist, auf Anzeichen zu achten. Zu finden ist das Video in der Rubrik „Was ist Parkinson“ in der rechten Navigationsleiste.
auf der InternetseiteMögliche Nebenwirkungen
Die kontinuierliche Levodopa-Infusion
Sehr häufige Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit dem Wirkstoff auftreten können (kann mehr als 1 Person von 10 Personen betreffen):
- Stürze
- Gewichtsverlust
- Gefühl der Übelkeit, Verstopfung
- Angst, Depression, nicht in der Lage sein zu schlafen (Schlaflosigkeit)
- Bewegungen machen, ohne diese zu wollen (Dyskinesien), Verschlimmerung der Parkinson-Krankheit
- Schwindelgefühl beim Aufstehen oder beim Lagewechsel (orthostatische Hypotonie) – dies kommt von niedrigem Blutdruck. Verändern Sie Ihre Lage/Stellung immer langsam – stehen Sie nicht schnell auf.
Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit der Pumpe oder Sonde auftreten können, sind eingriffsbedingt und häufig von vorübergehender Art. Die häufigsten Nebenwirkungen sind (kann mehr als 1 Person von 10 Personen betreffen):
- Magenschmerzen
- Infektion an der Stelle, wo die Sonde in den Magen führt – verursacht durch die Operation
- Dicke Operationsnarben an der Stelle, wo die Sonde in den Magen führt
- Schwierigkeiten, die vom Einsetzen der Sonde herrühren – Schmerzen oder Anschwellen im Mund oder Rachen, Schwierigkeiten beim Schlucken, Magenbeschwerden, Schmerzen oder Schwellung, Verletzung im Rachen, Mund oder Magen, Blutung, Kranksein (Erbrechen), Blähungen (Flatulenz), Angstgefühl
- Schwierigkeiten um die Stelle herum, wo die Sonde in den Magen führt – rote oder entzündete Haut, wunde Stellen, Auslaufen nach dem Eingriff, Schmerzen oder Hautreizung.
Die kontinuierliche Apomorphin-Infusion
Mögliche weitere unerwünschte Wirkungen der Therapie mit dem Wirkstoff Apomorphin:
- Übelkeit
- Gestörte Regulation des Blutdrucks
- Auftreten von Halluzinationen
Sehr häufige Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit der Pumpe oder der Nadel/dem Schlauch auftreten können (kann mehr als 1 Person von 10 Personen betreffen):
- Knotenbildungen unter der Haut an der Injektionsstelle, welche wund, störend und eventuell gerötet und juckend sind. Diese Knötchen sind harmlos und bilden sich in den meisten Fällen zurück. Im Behandlungsverlauf können sie aber dennoch Probleme bereiten. Beispielsweise kann die Aufnahme von Apomorphin so deutlich beeinträchtigt sein, dass die Pumpentherapie nicht fortgesetzt werden kann. Zur Vermeidung dieser Knotenbildung ist es empfehlenswert, die Injektionsstelle jedes Mal zu wechseln.
Die Tiefe Hirnstimulation (THS)
Sehr häufige Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit einer THS auftreten können (kann mehr als 1 Person von 10 Personen betreffen):
- Risiken in Verbindung mit der Tiefen Hirnstimulation, wie z. B. eine Hirnblutung, ergeben sich aus dem operativen Eingriff im Gehirn. Dazu kommt, dass sich bei manchen Betroffenen im Zusammenhang mit dieser Therapie das Sprechen verschlechtern kann. Auch eine vorher bestehende Gangunsicherheit kann zunehmen.