Um eine fortgeschrittene Parkinson- Erkrankung rechtzeitig erkennen zu können, haben Parkinson-Expertinnen und -Experten in einem speziellen Beratungsverfahren eine Reihe von Kriterien entwickelt.
Bei Morbus Parkinson sterben im Gehirn Nervenzellen ab, die den für die Reizweiterleitung wichtigen Botenstoff Dopamin produzieren. In der Regel macht sich das zunächst über Bewegungsstörungen bemerkbar. Mit zunehmendem Nervenzellverlust werden die damit verbundenen Auswirkungen vielfältiger und stärker. Es kann zu Schwankungen der Beweglichkeit im Tagesverlauf kommen. Auch nicht mit der Motorik zusammenhängende Folgen wie Verhaltensänderungen oder Depressionen sind ausgeprägter.
Wann eine Parkinson-Erkrankung als fortgeschritten einzustufen ist, lässt sich nicht so einfach sagen. Für Behandelnde und Betroffene ist es jedoch wichtig, dies individuell beurteilen zu können. „Insbesondere geht es darum, wie wir die Betroffenen rechtzeitig erkennen können, bei denen grundlegende Therapieveränderungen notwendig sind, um ihre Beweglichkeit und ihre Lebensqualität möglichst zu verbessern“, hält
fest, Neurologe am Universitätsklinikum Dresden. „Dafür brauchen wir Kriterien, die anzeigen, dass jemand, der bislang vom niedergelassenen Neurologen oder vom Hausarzt behandelt wurde, zum Spezialisten überwiesen werden sollte.“ Ebenso gelte es, nicht rückgängig zu machende Entwicklungen und Komplikationen zu verhindern. „Steigt beispielsweise die Sturzgefahr stark an, müssen wir Therapieentscheidungen treffen können, bevor etwas passiert.“Die Einteilung der Parkinson-Erkrankung in Stadien, wie bestehende Systematiken sie vornehmen, eigne sich für diese Zwecke nicht. „Anhand dieser Einteilung lässt sich zwar näher bestimmen, wo jemand steht“, erläutert Dr. Loewenbrück. „Sie wurde aber nicht entwickelt, um Therapieentscheidungen daran festzumachen oder zu erkennen, dass eine grundlegende Therapieveränderung notwendig ist.“
Um entsprechende Kriterien zu finden, wurden daher in einem wissenschaftlichen Beratungsverfahren die Erfahrungen und Bewertungen international anerkannter Expertinnen und Experten aus dem Bereich Parkinson ausgewertet. „Dabei sollten möglichst einfache Kriterien gefunden werden, um den fortgeschrittenen Parkinson zu erkennen“, informiert der Dresdner Neurologe. Seit 2018 liegen nun wesentliche Anhaltspunkte vor. (s. Info-Box) „Sie eignen sich gut, um den Verlauf einer Parkinson-Erkrankung im Hinblick auf sinnvolle Therapieveränderungen zu beurteilen“, findet Dr. Loewenbrück. „Niedergelassene Neurologen und Hausärzte erhalten eine praxistaugliche Grundlage, anhand derer sie entscheiden können, wann ein Spezialist hinzugezogen werden sollte.“ Zusätzlich zu der Beurteilung der Beweglichkeit wurden Kriterien für nicht motorische Veränderungen festgehalten und wie Betroffene mit alltäglichen Anforderungen zurechtkommen. „Das ist wichtig, weil zum Beispiel auch Verhaltens- und Angststörungen, Psychosen und depressive Verstimmungen vom Spezialisten begutachtet werden sollten“, betont der PARKOUR kompakt 06 | Juni – August 2019 Experte. „Hier bringt eine Therapieveränderung ebenfalls oft Besserung. Darüber hinaus können wir bei Wirkschwankungen gut helfen, wenn Betroffene rechtzeitig in die Klinik kommen.“
Hilfreiche Kriterien
Parkinson ist vielschichtig und verläuft individuell. Entsprechend anspruchsvoll ist es zu beurteilen, ob die Erkrankung schon als fortgeschritten einzustufen ist. Hilfreich sind die Merkmale, die 17 Expertinnen und Experten in einem mehrstufigen, u. a. von AbbVie geförderten Beratungsverfahren erarbeitet haben.
Selbst diese Merkmale sind noch recht komplex. Ein alltagstauglicher Vorschlag für motorische Beurteilungskriterien könnte die sogenannte „5-2-1-Regel“ sein:
- 5: Die Einnahme von Levodopa-Tabletten 5 mal oder öfter am Tag.
- 2: Mindestens 2 Stunden Unterbeweglichkeit während der Wachphase.
- 1: Insgesamt mindestens 1 Stunde beeinträchtigende Überbewegungen während der Wachphase.
Ebenso zu berücksichtigen sind auch die nicht motorischen Kriterien. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Ihre Neurologin bzw. Ihren Neurologen.
So einfach wie möglich
Damit Betroffene ihre Ärztin oder ihren Arzt gut verstehen und Fragen leicht beantworten können, wurden die Kriterien zur Beurteilung der Parkinson- Erkrankung möglichst einfach gehalten. „Wir erstellen derzeit Karten, auf denen die wesentlichen Punkte sogar noch mal einfacher gehalten sind“, beschreibt Dr. Loewenbrück. Statt von Dyskinesien zu sprechen, fragen wir zum Beispiel, ob jemand über- oder unterbeweglich ist. Damit können Betroffene in der Regel mehr anfangen und wir erhalten brauchbare Informationen für die Ausrichtung ihrer Therapie.“