Achtsam für Veränderungen beim Schlucken
Bis zu 80 Prozent der Menschen mit Parkinson entwickeln im Krankheitsverlauf eine Schluckstörung. Mögliche Ursachen sind unter anderem, dass zu wenig von dem körpereigenen Botenstoff Dopamin vorliegt oder bestimmte Hirnareale krankheitsbedingt verändert sind.
Autor: Petra Sperling | 11/2022
Welche Folgen können Schluckstörungen haben?
Julia Hirschwald: Sie mindern die Freude am Essen und Trinken und insgesamt die Lebensqualität. Nicht selten ziehen sich Betroffene zurück. Trinken und essen sie aufgrund von Schluckproblemen weniger oder lassen sie bestimmte Nahrungsmittel und Konsistenzen weg, kann das zu Flüssigkeitsmangel und Mangelernährung führen und den Allgemeinzustand verschlechtern. Bleiben die Parkinson-Tabletten im Hals stecken, wirken sie weniger oder gar nicht. Oft wird auch der Speichel seltener und weniger effektiv heruntergeschluckt. Er kann sich ansammeln und aus dem Mund herauslaufen. Das wird als unästhetisch und peinlich empfunden. Letzten Endes können durch eine Schluckstörung Speichel, Flüssigkeiten und Nahrung oft nicht mehr sicher geschluckt werden. Geraten Flüssigkeiten, Teile der Nahrung oder Speichel in die Luftröhre, kann das eine Lungenentzündung auslösen. Sie ist eine der häufigsten Todesursachen bei Parkinson.
Oft fallen Schluckstörungen zunächst nicht auf. Woran liegt das?
Julia Hirschwald: Zumeist ist die Selbstwahrnehmung der Betroffenen krankheitsbedingt verringert. Viele halten Schluckstörungen auch für altersbedingt und „normal“. Generell wird zu wenig darüber informiert; viele wissen gar nicht, dass im Verlauf einer Parkinson-Erkrankung Schluckstörungen auftreten können. Auch im Arztgespräch wird häufig nicht gezielt danach gefragt. Oder Betroffene verneinen entsprechende Fragen, weil sie keine Veränderungen wahrnehmen. Es sollte daher gezielter nachgefragt werden, auch bei den Angehörigen. Sie bemerken Veränderungen oft eher. Wer Auffälligkeiten beobachtet, sollte das unverzüglich und aktiv ansprechen. Es sollte dann eine ausführliche Schluckdiagnostik durch eine geschulte Fachperson, in der Regel eine Logopädin oder einen Logopäden, erfolgen.
Wie helfen Logopädinnen und Logopäden bei Schluckstörungen?
Julia Hirschwald: Sie führen eine ausführliche Diagnostik durch, planen basierend auf den Ergebnissen die individuelle Therapie und setzen sie um. Ziel ist, die Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme für die Betroffenen (wieder) möglichst sicher, effizient und angenehm zu gestalten. Letztlich gilt es, ihre Lebensqualität zu verbessern oder möglichst lange zu erhalten.
Nehmen Sie mögliche Anzeichen für Schluckstörungen ernst:
Räuspern, Husten oder eine belegte, feuchte Stimme während oder nach dem Trinken und Essen / Schwierigkeiten beim Kauen der Nahrung / Nahrung bleibt im Hals stecken / schwankende Wirksamkeit oral eingenommener Parkinson-Medikamente / wiederholte Lungenentzündungen / ungewollte Gewichtsabnahme über mehrere Monate hinweg / geringes Körpergewicht bzw. ein Body-Mass-Index (BMI) unter 20 / Eine parkinsonbedingte Demenz kann die Wahrscheinlichkeit für Schluckstörungen erhöhen.
Welche Therapieoptionen gibt es?
Julia Hirschwald: Häufig wird angenommen, dass die am Schlucken beteiligten Muskeln bei Parkinson zu schwach sind und gekräftigt werden müssen. Solch ein Krafttraining ist allerdings nicht immer zielführend. Anstelle einer Muskelschwäche kann auch eine Koordinationsstörung der schluckrelevanten Strukturen vorliegen. Dementsprechend sollten die Übungen in der Schlucktherapie sorgfältig ausgewählt werden. Zwei Therapieansätze, die Studien zufolge das Schlucken bei Parkinson positiv beeinflussen können, sind z. B. LSVT LOUD®, eine spezielle Sprech- und Stimmtherapie bei Parkinson, und ein Training mit einem Gerät (EMST), das einem Asthma-Inhalator ähnelt. Manchmal kann es auch hilfreich sein, die Parkinson-Medikamente oder die Konsistenz von Nahrungsmitteln und Flüssigkeiten anzupassen oder bestimmte Schlucktechniken anzuwenden. Gegebenenfalls kann hochkalorische Nahrung zugeführt werden.
Was können Betroffene selbst tun?
Julia Hirschwald: Sie sollten sehr aufmerksam auf mögliche Probleme beim Schlucken achten. Konkrete Übungen kann ich pauschal nicht empfehlen – es braucht immer eine individuelle, an die Symptomatik angepasste und logopädisch angeleitete Therapie. Generell möchte ich Menschen mit Parkinson und ihre Angehörigen ermutigen, einen Verdacht auf eine Schluckstörung im Arzttermin unverzüglich zu äußern. Wer in logopädischer Behandlung ist, kann das Thema auch dort ansprechen. Je früher die Therapie beginnt, desto besser sind die Aussichten, dass die Schluckfunktion wiederhergestellt und möglichst lange erhalten bleiben kann. [ps]