Angehörige haben einen anderen Blick
Angehörige können Betroffene motivieren, auf Veränderungen ihrer Parkinson-Symptome zu achten, und sie bei der Überprüfung der Therapiewirksamkeit unterstützen, erläutert Dr. Peter Themann vom Rehabilitationszentrum Niederschöna in Hetzdorf.
Autor: Petra Sperling | 11/2021
Angehörige können Betroffene motivieren, auf Veränderungen ihrer Parkinson-Symptome zu achten, und sie bei der Überprüfung der Therapiewirksamkeit unterstützen, erläutert Dr. Peter Themann vom Rehabilitationszentrum Niederschöna in Hetzdorf.
So gut wie jeder ist von einem ihm nahestehenden Menschen schon einmal auf etwas angesprochen worden, dessen er sich selbst gar nicht bewusst war: auf eine Angewohnheit vielleicht oder dass er in ähnlichen Situationen stets über die gleichen Probleme klagt. Parkinson-Betroffene registrieren zudem ihre mit der Erkrankung verbundenen Symptome anders als Außenstehende. „Sichtbare Überbewegungen, sogenannte Dyskinesien, empfinden sie zum Beispiel gar nicht so belastend“, beschreibt Dr. Themann. „Eine nur leichte Bewegungsarmut wird hingegen als äußerst unangenehm wahrgenommen und verleitet viele zu manchmal unangebrachten Reaktionen wie einer wiederholten Einnahme von löslichem L-Dopa.“ Es komme auch vor, dass Betroffene alltägliche Probleme etwa beim Ankleiden anders erleben oder herunterspielen. „Auch mit ihrem Arzt sprechen sie über ihre alltäglichen Schwierigkeiten dann wenig oder gar nicht.“
Heute schon an morgen denken!
Gewöhnen Sie es sich frühzeitig an, offen miteinander über Veränderungen von Parkinson-Symptomen zu sprechen.
Die individuellen Symptome im Blick zu haben, ist jedoch wichtig: Nur dann lässt sich beurteilen, ob die aktuelle Therapie den Dopaminhaushalt ausreichend ausgleicht, sprich die Parkinson-Beschwerden zufriedenstellend unter Kontrolle sind. „Angehörige haben dabei einen großen Stellenwert, da sie mit ihrem Blick von außen alles ein bisschen anders beurteilen können“, erklärt der Neurologe. „Sie sollten daher mit darauf achten, wie gut der Alltag klappt, wo es hakt und ob körperliche Beschwerden sich verändern oder hinzukommen.“ Ebenso sollten sie aufmerksam sein, ob, wann und in welcher Weise der Betroffene sich vielleicht auffällig verhält, mitunter verwirrt erscheint oder unter Impulskontrollstörungen leidet.
„Angehörige können den Betroffenen zudem in offenen Gesprächen dafür sensibilisieren, selbst aufmerksam darauf zu achten, wie es ihm geht und ob er seinen Alltag für sich zufriedenstellend gestalten kann“, rät Dr. Themann. Idealerweise tauschen sie sich hierzu regelmäßig aus. Nützlich sind auch Hilfsmittel wie ein Fragebogen, dessen Beantwortung Anhaltspunkte liefert, ob die Therapie ausreichend wirkt. Ein Angebot hierfür findet sich zum Beispiel auf www.parkinson-check.de. Sehr sinnvoll ist es, Beobachtungen zu dokumentieren. Das kann helfen, schleichende Veränderungen wahrzunehmen. Sorgfältige Aufzeichnungen können zum Beispiel zeigen, dass Probleme bei alltäglichen Aktivitäten keineswegs schon immer bestanden, sondern sich in den letzten Wochen verstärkt haben. „Entsprechende Notizen sind auch für uns Mediziner eine wertvolle Datenquelle bei der Beurteilung der Therapiewirksamkeit“, betont der Neurologe. Angehörige können den Betroffenen darüber hinaus motivieren, zu ihren von Parkinson hervorgerufenen Einbußen zu stehen und sich auch vermeintlich „peinlichen“ Themen zu stellen. Denn falsche Scham löst keine Probleme. „Begrüßenswert ist auch, wenn Angehörige mit zum Arzt gehen und beide ihre Sichtweise auf das Leben mit Parkinson einbringen“, findet Dr. Themann. „Wenn Veränderungen frühzeitig auffallen und die Therapie angepasst oder geändert wird, kann das die Selbstständigkeit der Betroffenen im Alltag verbessern. Das stärkt zugleich ihr Selbstwertgefühl und ist ein Plus an Lebensqualität – für Erkrankte und Angehörige gleichermaßen.“ [ ps ]