Ausgabe 14

Frühzeitig und gezielt handeln

PSOUL: Herr Dr. Hockmann, welche Behandlungsziele verfolgen Sie bei Ihren Patient*innen mit Schuppenflechte?
JOHANNES HOCKMANN: Mir ist wichtig, dass meine Patient*innen wissen: Psoriasis ist gut behandelbar. Ich möchte meine Patient*innen erscheinungsfrei bekommen und meine Erfahrung lehrt, dass dieses Ziel meist erreichbar ist. Wenn ein Patient oder eine Patientin mit einer schweren Psoriasis in meine Praxis kommt, spreche ich direkt an, dass ich als Behandlungsziel die Erscheinungsfreiheit verfolge. So gehe ich – die Zustimmung vorausgesetzt – mit meinem Patienten oder meiner Patientin ein Bündnis ein. Oft haben diese Menschen schon einen jahrzehntelangen Leidensweg hinter sich.

PSOUL: Wie wirkt sich ein langer Leidensweg auf die Menschen aus?
HOCKMANN: Menschen mit Psoriasis werden oft stigmatisiert. Es gibt nach wie vor viel Unwissen und viele Vorurteile über die Erkrankung – Schuppenflechte sei zum Beispiel ansteckend. Dies kann dazu führen, dass sie sich ausgeschlossen und ausgegrenzt fühlen. Auch einen Ekel vor sich selbst können Betroffene leider entwickeln, sie werden unsicher, hinterfragen sich – man spricht hier von Selbststigmatisierung. All dies führt häufig dazu, dass sich diese Personen immer mehr zurückziehen, was zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität führen kann. Fast jede Woche erlebe ich Patient*innen, die berichten, wie stark ihr Leben durch die Schuppenflechte eingeschränkt ist. In Fachkreisen ist immer wieder einmal die Rede vom Konzept des sogenannten Cumulative Life Course Impairment (CLCI). Einfach ausgedrückt wird hier bemessen, wie sich die Krankheit im Laufe der Zeit auf den Körper und die Psyche auswirkt und welche negativen Folgen dies langfristig verursachen kann. Man sollte dieses Konzept nicht überstrapazieren, denn welcher Lebenslauf ist schon idealtypisch. Dennoch: Gerade bei Psoriasis-Patient*innen haben wir die Möglichkeit, positiv einzugreifen.

PSOUL: Was genau meinen Sie damit?
HOCKMANN: Heutzutage gibt es genügend Möglichkeiten, dem Leiden bei Schuppenflechte frühzeitig ein Ende zu setzen und damit auch positiv auf den Lebensweg einzuwirken. Schuppenflechte ist eine Entzündung auf der Haut, aber sie ist auch eine Entzündung, die sich im Körper fortsetzt. Es ist schlichtweg nicht gesund, jahrelang oder gar jahrzehntelang mit einer chronischen Entzündung rumzulaufen. Das greift die Gefäße an, das greift das Herz an, letztlich auch die Psyche – und hinterlässt Narben, die es zu verhindern gilt. Hier lautet die Devise smart und früh handeln, um Folgeschäden zu vermeiden. Das therapiert nicht nur die Psoriasis, sondern kann auch den Betroffenen helfen, wieder mehr im Leben zu stehen.

PSOUL: Was verstehen Sie unter einer smarten Behandlung?
HOCKMANN: Das sind für mich moderne Therapieoptionen, die das entzündliche Geschehen auf eine smarte, also nebenwirkungsarme und kluge Weise zum Positiven verändern können. Das Ziel der Behandlung ist die Erscheinungsfreiheit und das ist etwas Fantastisches. Wir haben in Deutschland etwa 400.000 Menschen mit einer mittelschweren bis schweren Form der Psoriasis, denen mit innovativen Behandlungen geholfen werden kann. Doch nur etwa die Hälfte von ihnen werden mit systemisch wirkenden Medikamenten therapiert. Gleichzeitig erhalten 175.000 Betroffene sogar eine Fehlversorgung mit innerlichem Kortison. Ich habe viele Patient*innen, die für ihre Behandlung eine Strecke bis zu 200 Kilometern auf sich nehmen, um zu mir zu kommen. Doch es lohnt sich, denn die Erfolge können wirklich beeindruckend sein. Und je eher Betroffene den Zugang zu einer modernen Therapieoption erhalten, desto besser ist es für ihren gesamten Lebensverlauf.

PSOUL: Viele Patient*innen sind verunsichert, ob moderne Therapien für sie überhaupt infrage kommen. Was raten Sie ihnen?
HOCKMANN: Die Menschen sind sehr unterschiedlich. Ich habe gerade einen Patienten mit schwerster Psoriasis gesehen. Er ist über 70 Jahre alt, zufrieden und glücklich. Sein Sohn ist ebenfalls Patient bei mir und war ähnlich stark betroffen. Er litt hingegen sehr unter seiner Psoriasis, die wir mit einer modernen Systemtherapie optimal in den Griff bekommen haben. Manche Patient*innen sind zudem verunsichert, verzweifelt oder schämen sich. Hier ist ein gewisser Grad an Selbstermächtigung sicherlich hilfreich: Selbstbewusst auftreten – nicht fordernd-aggressiv – und wissen, was die eigenen Bedürfnisse sind, kann ein relevanter Faktor in der Aufnahme einer Arzt-Patienten-Beziehung sein. So kann ein Dialog auf Augenhöhe entstehen. Schlussendlich ist ein gewisses Maß an Vertrauen in den Arzt bzw. die Ärztin wichtig, damit sowohl die eigenen Bedürfnisse als auch möglicherweise unangenehme Themen angesprochen werden können.

PSOUL: Wie können sich Patient*innen auf den Praxisbesuch vorbereiten?
HOCKMANN: Eine Vorbereitung ist sehr sinnvoll – jedoch nicht in Form von Aktenbergen, das sprengt den Rahmen sowohl für die Betroffenen selbst als auch für mich. Ich habe auf meiner Website Formulare, die meine Patient*innen im Vorfeld ausfüllen können – darunter auch der Dermatologische Lebensqualitäts-Index (Dermatology Life Quality Index DLQI). Dies ist ein häufig eingesetztes Instrument, das Menschen mit Psoriasis einfach ausfüllen können, um damit die subjektiven Einschränkungen der Lebensqualität zu ermitteln. Zudem sind konkrete Fragen und eine konkrete Einschätzung der eigenen Bedürfnisse und des aktuellen Zustands – körperlich wie seelisch – hilfreich. Offenheit ist dabei essenziell. Gerade letzte Woche hat mir ein Patient dreimal gesagt, dass es ihn unglaubliche Überwindung gekostet hat, zu mir zu kommen, da seine Erkrankung völlig aus dem Ruder gelaufen war. Wenn man sich stückchenweise offenbart und an die helfende Kompetenz des Gegenübers appelliert, dann steht der Erreichung selbst hoher Therapieziele wie der Erscheinungsfreiheit in den meisten Fällen nichts entgegen.

Das Interview führte PSOUL mit Dipl.-Psych. Dr. med. Johannes Hockmann, Dermatologe, Klinischer Psychologe/Psychotherapeut in Oelde.

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