Ausgabe 15

Nichts ist Tabu

PSOUL: Frau Dr. Wolfahrt, die Psoriasis ist für viele schon im Alltag eine enorme Herausforderung. Wenn dann auch noch der Intimbereich betroffen ist, leiden Betroffene
oft noch mehr, oder?

SONJA WOLFAHRT: Absolut. Psoriasis begleitet die Betroffenen ihr Leben lang. Viele haben schon einen hohen Leidensdruck, wenn die Schuppenflechte sichtbare Stellen wie Kopf, Arme oder Beine betrifft. Aber der Genitalbereich ist häufig ein Tabuthema. Einige Patient*innen verneinen den Befall, selbst wenn ich gezielt frage. Dabei ist gerade das offene Gespräch eine große Herausforderung. Auch in der Partnerschaft, wo die Psoriasis die Intimität und Sexualität enorm beeinträchtigen kann.

PSOUL: Was macht die genitale Psoriasis für Betroffene so belastend?

WOLFAHRT: Neben der Rötung und Schuppung der betroffenen Hautstellen im Genitalbereich sind begleitende Beschwerden wie starker Juckreiz besonders belastend.
Eine Intimrasur ist für viele daher undenkbar. Auch im Analbereich kann es zu Schmerzen, manchmal sogar Einrissen kommen, die die Hygiene erschweren. Hinzu kommt die psychische Komponente. Viele ziehen sich zurück, vermeiden Intimität, Sexualität oder machen das Licht aus beim Sex. Das Selbstwertgefühl leidet, und der soziale
Rückzug ist oft groß.

PSOUL: Trotz des hohen Leidensdrucks trauen sich viele nicht, dieses Thema in
der Praxis anzusprechen. Warum?

WOLFAHRT: Scham ist mit der häufigste Grund. Vielen ist es einfach unangenehm oder sogar peinlich, über intime Bereiche zu sprechen – trotz großer Beschwerden. Manche wissen auch gar nicht, dass die Veränderungen im Intimbereich mit der Schuppenflechte zusammenhängen können. Erst wenn ich konkret danach frage und aufkläre, kommt oft der Aha-Effekt: ‚Ach, das ist auch die Schuppenflechte!‘ Ein weiterer Grund ist, dass viele
denken, da könne man eh nichts machen – umso größer ist die Erleichterung, wenn eine passende Therapie hilft.

PSOUL: Wie können Betroffene den ersten Schritt machen?

WOLFAHRT: Nur was gezeigt wird, kann auch behandelt werden. Betroffene sollten sich vorher überlegen, was sie ansprechen möchten. Ganz wichtig: keine falsche Scham! Ärzt*innen sehen täglich viele nackte Körper. Niemand bewertet sie. Viele Betroffene leiden auch psychisch unter der Erkrankung – vor allem, wenn die Sexualität betroffen ist.

PSOUL: Was raten Sie hier?

WOLFAHRT: Die psychische Belastung bei genitaler Psoriasis ist oft enorm, gerade, wenn dies die Sexualität beeinträchtigt. Viele ziehen sich zurück. Mein Rat ist: Offen mit uns
Ärzt*innen über alle Beschwerden sprechen, auch wenn es Überwindung kostet.
Nur so kann gezielt geholfen werden. Viele meiner Patient*innen berichten nach erfolgreicher Behandlung, wie sehr sich ihre Lebensqualität und ihr Selbstbewusstsein zum Positiven gewandelt hat. Offenheit ist der wichtigste Schritt.

PSOUL: Was bedeutet das konkret für Ihre Arbeit als Ärztin?

WOLFAHRT: Für mich heißt das, dass ich im Praxisalltag immer versuche, sehr offen auf meine Patient*innen zuzugehen. Viele zeigen von sich aus nur die sichtbaren Stellen wie Kopf, Arme oder Beine. Dann werde ich aktiv und gehe Schritt für Schritt weiter. Am Ende spreche ich gezielt den Genitalbereich an, weil ich weiß, dass das für die meisten Menschen ein Tabuthema ist. Ich versuche, eine lockere und offene Atmosphäre zu schaffen, damit sich die Patient*innen trauen, auch diese Bereiche zu zeigen. Und erst dann kann ich
passend zur Schwere der Symptome wirklich helfen. Und den Menschen ein Stück Lebensqualität zurückgeben.

PSOUL: Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es heute für die Genitalregion?

WOLFAHRT: Es kommt immer darauf an, wie schwer die Person betroffen ist. Für mildere
Formen gibt es spezielle Cremes oder Salben. Wenn diese nicht ausreichen oder die Belastung sehr hoch ist, gibt es moderne Systemtherapien, die gezielt die ursächlichen Entzündungsfaktoren reduzieren. Das Therapieansprechen ist oft sehr schnell, und das hat nicht nur Auswirkungen auf den Körper, sondern auch auf das psychische Wohlbefinden.
Wichtig ist, die Behandlung individuell anzupassen und gemeinsam zu schauen, was für die jeweilige Situation am besten geeignet ist.

PSOUL: Einige Betroffene haben schon viel ausprobiert – oft ohne Erfolg. Wann lohnt sich ein Therapiewechsel?

WOLFAHRT: Ein Therapiewechsel kann immer dann empfehlenswert sein, wenn die aktuelle Behandlung nicht mehr ausreichend wirkt, die Beschwerden zunehmen oder zurückkehren oder die Lebensqualität weiterhin stark eingeschränkt ist. Dann sollte gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt geprüft werden, welche moderne Alternative infrage kommt.

PSOUL: Was möchten Sie Leser*innen mitgeben, die selbst von genitaler Psoriasis betroffen sind?

WOLFAHRT: Bei genitaler Psoriasis leiden viele Betroffene still. Dabei gibt es längst moderne Behandlungen, die das Leben deutlich erleichtern. Mit der Besserung kehrt zudem ein bedeutendes Stück Freiheit zurück. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen z. B. in
Patient*innen-Foren kann helfen und zeigt vor allem, dass man nicht allein
ist.

Sie haben einen externen Link gewählt. Wenn Sie auf "Ja" klicken, verlassen Sie die Homepage von AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG. Bitte beachten Sie, dass die AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG für den Inhalt der verlinkten Seite nicht verantwortlich ist. Wollen Sie die externe Seite betreten?