Migräne verstehen bedeutet, die einzelnen Migränephasen zu kennen
In meiner Hochphase hatte ich häufig bis zu 24 Kopfschmerztage und bis zu 13 Migräneattacken im Monat. Heute weiß ich: Je besser ich Triggerfaktoren kenne und meinen Körper in der Nachphase unterstütze, je seltener folgt eine zweite Migräneattacke im Anschluss an die erste.
Meine Migräne-Vorboten: Ich könnte Bäume ausreißen!
Die ersten Symptome einer Migräneattacke zeigen sich bei mir oft in gesteigerter Aktivität, erhöhter Leistungsbereitschaft und Kreativität. In dieser Phase habe ich früher oft sehr viel Sport gemacht. Wenn ich Energie habe, muss ich diese auch gewinnbringend für mich nutzen – dachte ich. Unter dem Eindruck, den Sport und die Bewegung zu vernachlässigen, nahm ich diese Energie dankend an und setzte sie in sportlichen Aktivitäten ein. Ein Fehler, wie sich nach diversen Migräneattacken zeigen sollte.
Phase 1: Innere Unruhe: Was wollte ich eigentlich machen?
Etwas zeitversetzt beginne ich, Dinge anzufangen und sie nicht zu Ende zu bringen. Der Fokus geht verloren…
Diese Unsicherheit erhöht mein Stresslevel und die Abwärtsspirale dreht sich weiter, die Gereiztheit beginnt und nimmt schnell zu (Alle Frauen, die PMS vor ihrer Periode haben, kennen diesen Zustand). Man ärgert sich maßlos z.B. über die Familie oder Freunde und glaubt, dass die Welt schlecht ist und niemand es gut mit einem meint.
Phase 2: Pulverfass mit einer sehr kurzen Zündschnur!
In dieser Migränephase stoße ich schnell an meine Grenzen. Früher gab es in dieser Zeit oftmals Streit innerhalb der Familie, der meine Migräneattacke nur noch mehr getriggert hat.
Ich bin in dieser Phase extrem gereizt und dünnhäutig. Damit es deshalb nicht zum Streit kommt, haben wir einen Codesatz in der Familie etabliert. Sie fragen mich dann: „Kann es sein, dass Kopfschmerzen kommen?“. Dadurch fühle ich mich weniger angegriffen und kann die Botschaft dahinter besser verstehen.
By the way: „Bist du gereizt?“ ist für mich kein guter Codesatz, da steckt weniger Fürsorge darin. Und Fürsorge ist ein Schlüsselelement, das jeder Mensch mit Migräne in dieser Phase dringend benötigt. Vielleicht hast du auch ein Code-Wort?
Migräneattacke: Triggerfaktoren erkennen
Spätestens jetzt schaue ich auf meine Liste der Triggerfaktoren. Welche dieser Trigger kann ich eliminieren und welche Gegenmaßnahmen kann ich starten? Zudem hinterfrage ich meine echten Gefühle hinter den hochkochenden Emotionen: „Ist es wirklich bedrohlich, dass die Socken auf dem Boden liegen. Oder fühle ich mich in diesem Moment einfach nicht wertgeschätzt?“
Kann ich mir da vielleicht selbst helfen, gibt es einen einfachen Exit aus dieser Situation?
Es gibt auch hemmende Ankündigungssymptome:
Bei mir ist es oft so, dass auf die erregenden Vorboten die hemmenden Warnsignale folgen. Das bedeutet, dass Symptome bremsend oder dämpfend auf Körper und Geist wirken. Sie sorgen dafür, dass Energiespiegel, Aktivität und Stimmung gesenkt werden. Müdigkeit, Überforderung, depressive oder traurige Stimmung und Augenringe gehören bei mir zu den hemmenden Symptomen dazu. Diese Phase kommt vor allem zum Tragen, wenn Schlafmangel, eine hormonelle Berg- und Talfahrt oder emotionale Trigger die Steuerung übernehmen, die mich letzten Endes überfordern und erschöpfen.
Migräne: In den eigenen Körper hineinspüren
Ich habe übrigens Migräne mit Aura: Ich spüre die erste Migränephase am meisten im Gesicht. Mein Augenlid hängt etwas, eine Gesichtshälfte kribbelt und sprechen fällt mir schwer. In dieser Ankündigungsphase helfen Gegenmaßnahmen noch am Ehesten: Nahestehende Menschen können einen in dieser Phase unterstützen, da man sie selbst oft nicht als Migränephase wahrnimmt, da sie bis zu drei Tage vorher entstehen können.
Allerspätestens hier höre ich mit der Bildschirmarbeit auf und eliminiere alle Triggerfaktoren. Jetzt beginne ich damit, mich auf die ich Hauptphase mit Kopfschmerzen und allen weitern Symptomen vorzubereiten. Alle nötigen Menschen zu informieren, Termine abzusagen, das Nervensystem mit einer Meditation oder Atemübung zu beruhigen und zum Notfall-Koffer greifen. Bei mir steht übrigens auch ein Eimer bereit.
Phase 3: Notfallmodus bei Migränekopfschmerzen
Jetzt ist der akute Schmerz da. Ich habe meist einseitige Kopfschmerzen, manchmal kommt auch Übelkeit und Erbrechen dazu.
Nun gilt es, jegliche Reize zu vermeiden, denn das System ist bereits im Notfallmodus. Ich habe in dieser Migränephase oft Schüttelfrost, benötige Wärmequellen am Körper und Kühle am Kopf. Akutmedikation gegen Kopfschmerzen und Übelkeit, die mit einem Arzt besprochen wurde, nehme ich ein.
Wenn es mir noch möglich ist, führe ich begleitende Maßnahmen durch die mich entspannen, z. B. Meditation, Akupressur Punkte ansprechen, Lavendelöl oder Pfefferminzöl auftragen.
Phase 4: Nachwirkungen, aber: Ich habe es geschafft!
Die Symptome klingen ab. Auch wenn der Schmerz abgeklungen ist, gehören die Begleiterscheinungen zur Migräneattacke weiter dazu: Müdigkeit, Energielosigkeit, kurzzeitige Kopfschmerzen, Muskelschmerzen.
Mein Körper beginnt nun mit dem Abbau der Medikamente, daher ist es wichtig, die Leber zu entlasten und die Muskeln wieder zu lockern.
Erstelle dir deine persönliche Tabelle: Trage dazu deine Anzeichen während der einzelnen Phasen ein. So lassen sich Symptome zu einem späteren Zeitpunkt nachlesen.
Eine Migräneattacke ist eine extreme Anstrengung für den Körper. In der Nachphase fühle ich mich extrem entspannt, manchmal fast euphorisch. „Ich habe es geschafft.“ Früher neigte ich dazu, mich umgehend wieder zu belasten, aber ich habe gelernt, dass der Körper hier meine Unterstützung und mehr Ruhe braucht.
Eure Tanja
P.S.: Im nächsten Beitrag berichte ich, was ich in der einzelnen Phase mache und wie ich damit besser zurechtkomme.
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