24. Juli 2024

Mein Rheuma Kompass: Webseite gibt Orientierung nach der Diagnose

Die Diagnose Rheuma bringt häufig viele Fragen und Unsicherheiten mit sich und es kann eine echte Herausforderung sein, den eigenen Weg mit der Erkrankung zu finden. Das neue Informationsportal Mein Rheuma Kompass steht unter dem Motto „Rheuma gemeinsam navigieren“ und bietet eine gute Orientierung, um die nächsten Schritte zu einem selbstbestimmten Umgang mit der Erkrankung zu gestalten. Das Online-Angebot informiert zu rheumatischen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis, Psoriasis-Arthritis oder axialer Spondyloarthritis (Morbus Bechterew) und zeigt, wie andere Betroffene mit Rheuma umgehen. Darüber hinaus ist Mein Rheuma Kompass ein praktischer Wegweiser, um weitere Anlaufstellen und Unterstützung zu finden.

Jetzt Rheuma gemeinsam navigieren:
Mein Rheuma Kompass

Rheuma gemeinsam navigieren: Diagnose, Leben, neue Perspektiven

Mein Rheuma Kompass richtet sich an Menschen mit der Diagnose einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung oder dem Verdacht darauf und alle Interessierten. Die Seite wurde gemeinsam mit Betroffenen entwickelt, um aufzuklären, Orientierung zu geben und Mut zu machen. So sind es vor allem persönliche Erfahrungen und Einblicke der Beteiligten, die neue Perspektiven schaffen. „Als ich die Diagnose erhalten habe, war das für mich ein Schlüsselmoment: Endlich hatte die Krankheit einen Namen, die Schmerzen hatten einen Grund, ich bekam eine Therapielösung und wusste endlich, was mit mir los ist“, erinnert sich Jana, die mit axialer Spondyloarthritis lebt. In den Videos auf Mein Rheuma Kompass gibt es viele weitere Themen zu entdecken. Die eigenen Bedürfnisse offen und ehrlich zu kommunizieren ist z. B. für Leo ein wichtiger Punkt. Beruf, Beziehung, Ernährung oder Bewegung – zu vielen Lebensbereichen gibt es Wissenswertes auf Mein Rheuma Kompass. So erläutert der Rheumatologe Dr. Peer Aries u. a., was bei der Ernährung mit Rheuma beachtet werden kann.

Austausch und Anlaufstellen: Unterstützung bei Rheuma

Michaela würde am liebsten alles selbst machen, doch hat sie mit der Zeit für sich gelernt, dass sie sich damit häufig selbst überfordert – denn sie lebt mit juveniler idiopathischer Arthritis. Mittlerweile ist ihr bewusst: Um Unterstützung zu bitten ist kein Zeichen von Schwäche – im Gegenteil, damit spart sie ihre Kräfte, die sie in etwas Schönes stecken kann, berichtet sie auf dem Online-Portal. Eine bedeutsame Rolle kann im Umgang mit der rheumatischen Erkrankung das persönliche Netzwerk erhalten. Offenheit über die Erkrankung und Bedürfnisse ist häufig die Basis dafür, von anderen verstanden zu werden und Unterstützung zu erhalten. Doch auch der Austausch mit anderen Betroffenen kann stärken. So bietet die Webseite auch einen Überblick über Anlaufstellen aus der Selbsthilfe und weitere Initiativen. Wissenswertes zur Erkrankung, viele Impulse, wie ein aktiver Umgang mit Rheuma gelingen kann, und ein praktischer Wegweiser für weiterführende Hilfe – Mein Rheuma Kompass begleitet auf dem persönlichen Weg mit der Erkrankung.

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23. Juli 2024

Charity-Radtour für Kinder mit Rheuma: Von der Ostsee in die Alpen

Von Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen – fast 1.360 km hat Phil Oliver Ladehof für seine Charity-Radtour „Von der Ostsee in die Alpen“ mit dem Fahrrad zurückgelegt. Ziel der Tour war das Deutsche Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie in Garmisch-Partenkirchen. In dieser Klinik war Phil, der mit 16 Jahren die Diagnose juvenile idiopathische Arthritis, also Kinder- und Jugendrheuma, erhielt, selbst viele Male als Patient. So kommen auch die Spenden der Charity-Radtour der Klinik zugute. Phil Oliver Ladehof schafft mit seiner Aktion darüber hinaus Aufmerksamkeit für rheumatische Erkrankungen und zeigt, dass es auch mit Rheuma möglich ist, außergewöhnliche sportliche Leistungen zu verwirklichen. Im Interview berichtet Phil von seiner Tour und den Herausforderungen, die Rheuma mit sich bringen kann.

Interview mit Phil Oliver Ladehof: Aktiv über Rheuma aufklären

„Von der Ostsee in die Alpen“ ist bereits Deine zweite Radtour für den guten Zweck. Welches Ziel steht für Dich bei der Aktion besonders im Fokus?

Phil: Ich möchte dreierlei Dinge erreichen. Mein größtes Ziel ist es, jungen Menschen zu zeigen, dass man auch mit einer chronischen rheumatischen Erkrankung sportliche Leistungen erbringen kann, bei denen selbst gesunde Personen sagen: „Das würde ich niemals schaffen.“

Darüber hinaus möchte ich die mediale Aufmerksamkeit der Tour nutzen, um dem Irrglauben, dass Rheuma nur alte Menschen haben, entgegenzuwirken. Im Deutschen Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie habe ich eine Vielzahl an Kindern und Jugendlichen kennengelernt, die ebenfalls eine rheumatische Erkrankung haben – einige bereits seit ihrem ersten Lebensjahr. Laut der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR) sind etwa 40.000 Kinder und Jugendliche von einer Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis betroffen. Zudem gibt es nicht „das Rheuma“, sondern eine Vielzahl von ähnlichen Krankheitsbildern, die unter dem Oberbegriff zusammengefasst werden.

Zu guter Letzt spiegelt der Name der Tour die Strecke wider, welche ich für jede stationäre Behandlung im Deutschen Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie in Garmisch-Partenkirchen zurückgelegt habe. Bei dem Projekt „Von der Ostsee in die Alpen“ handelt es sich um eine Spendenaktion, um Therapien im Deutschen Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie in Garmisch-Partenkirchen zu ermöglichen, die gar nicht oder nur zum Teil von den Krankenkassen übernommen werden. In diesem Jahr ging ein großer Teil der Spendensumme zur allgemeinen Verwendung an die physikalische Therapie innerhalb der Klinik.

Welche Bedeutung hat das Deutsche Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie in Garmisch-Partenkirchen für Dich?

Phil: Für jede stationäre Behandlung ging es für mich aus meiner Heimatstadt Flensburg in das knapp 1.000 Kilometer entfernte Garmisch-Partenkirchen. Im ersten Moment erscheint diese Wegstrecke wahnsinnig und unverhältnismäßig. Während meiner ersten Anreise habe ich mir nahezu durchgehend die Frage gestellt, wie sinnvoll der Aufwand ist, den mein Vater und ich in dem Moment auf uns nahmen.

Bereits zwei Wochen später wusste ich, dass dieser Aufwand sich gelohnt hatte, da ich gesundheitlich massive Erfolge und Fortschritte verzeichnete. In den Folgejahren reiste ich über zwanzigmal in den Süden, um nach jedem weiteren Rückschlag wieder neue Fortschritte zu erzielen. Zusammengerechnet habe ich etwa ein Jahr in dieser Klinik verbracht. Dementsprechend viele Emotionen, Gefühle und Eindrücke verbinde ich mit ihr. Für mich ist die Klinik vor allem ein Ort, an dem ich erwachsen und eigenständig geworden bin. Sie ist ein Ort, an dem ich den ein oder anderen Rückschlag erleben musste, aber eben auch meinen Lebensmut wiederfand. Eine Vielzahl meiner engsten Freunde und Freundinnen lernte ich in dieser Klinik kennen und schätzen. Meine Therapeutinnen, Therapeuten und ich erreichten immer weitere Fortschritte.

Was ist die wichtigste Botschaft Deiner Charity-Radtour?

Phil: Eine rheumatische Erkrankung kann jede Person treffen – unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft und Religion. Wir als Gesellschaft sollten aufhören, solche Personen auszugrenzen, ihre Diagnosen öffentlich zu hinterfragen oder hinter ihrem Rücken über die unrunden Bewegungsabläufe zu reden.

Meine Botschaft an alle Betroffenen ist, dass sie an ihren Wünschen, Träumen und Lebenszielen festhalten sollten. Die Diagnose kann belastend sein und einem den Boden unter den Füßen wegziehen. Umso wichtiger ist es, Dinge zu haben, aus denen man Kraft schöpfen kann. Dinge, die die Krankheit für einen kurzen Augenblick vergessen lassen.

Haben sich Deine Ziele durch die Erkrankung geändert?

Phil: Manchmal ändert sich zwangsläufig auch ein Lebensziel durch die Erkrankung. Von einem ambitionierten Fußballspieler wurde ich zu einem engagierten Trainer im Kinder- und Jugendbereich. Die Passion für den Fußball blieb bestehen – lediglich die Ausrichtung änderte sich. Bei mir ist es der Fußball, der mich bis heute zu jeder Therapie- oder Trainingseinheit motiviert. Immer wieder an sein Maximum gehen, um eines Tages wieder auf dem Trainingsplatz zu stehen und den anderen Spielern ein Vorbild zu sein.

Hast Du selbst schon Ausgrenzung wegen Deines Rheumas erlebt?

Phil: Im Sommer 2015 wurde ich dreimal an meinem rechten Knie operiert. Eine der OP-Narben reicht von meinem Oberschenkel übers Knie bis hin zu meinem Unterschenkel. Zwei Wochen nach meiner Operation zog ich mit Krücken und dem operierten Knie alle Blicke im Sommerurlaub auf mich. Immer wieder hörte ich es hinter mir tuscheln: „Der hat sicher ein künstliches Knie bekommen“ oder „Das passiert bei diesen waghalsigen Mutproben aus dem Internet“ waren nur einige der Kommentare. Für mich war der Sommer 2015 eine der schwersten Zeiten meines Lebens, da ich nach den besagten Knieoperationen erfuhr, dass ich meine Fußballschuhe an den Nagel hängen müsste. Letztlich sorgten diese Kommentare dafür, dass ich nur noch dann rausging, wenn ich mir sicher sein konnte, keine tuschelnden Leute anzutreffen.

Mehr als 1.300 km mit dem Rad – wie lässt sich diese sportliche Leistung mit dem Rheuma vereinen und welche Bedeutung hat Sport im Zusammenhang mit Rheuma?

Phil: Für mich persönlich macht es nur einen geringen Unterschied, ob ich eine solche Radtour mit oder ohne rheumatische Erkrankung absolviere. In erster Linie sollte die sporttreibende Person ihren Körper kennen und wissen, wo ihr Belastungsmaximum ist. Sie sollte wissen, welche Regenerationszeiten notwendig sind, und sich mit ihrem Vorhaben nicht zu sehr stressen. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren habe ich meine beiden Touren geplant und sie letztlich auch erfolgreich absolvieren können.

Bisher wurde mir von einem Großteil des medizinischen Personals, welches mich betreut hat, zu Sport geraten. Es muss individuell geschaut werden, welche Sportarten sich eignen. Die Expertinnen und Experten raten meist von einer (Über-)Belastung entzündeter Gelenke ab, gelenkschonende Sportarten wie Radfahren oder Schwimmen werden jedoch meistens empfohlen. Der Sport sorgt dafür, die Kraft, Fitness und Beweglichkeit beizubehalten. Darüber hinaus kann es einen positiven Einfluss auf die mentale Gesundheit haben, wenn man Sport macht.

Die Charity-Radtour ist nur eine Deiner Aktivitäten – wie und wo engagierst Du Dich sonst noch für Aufklärung und Information über Rheuma?

Phil: Die Aufklärung über Rheuma ist für mich eine äußerst wichtige Angelegenheit, da sie mit einem besseren Verständnis auch zu einer schnelleren Diagnose beitragen kann. Eine frühzeitige Diagnose hätte mir drei Operationen und eine Vielzahl an Therapiestunden ersparen können.

Um meinen Beitrag zu diesem verbesserten Verständnis zu leisten, habe ich 2019 den Instagram-Account @rheuma_phil ins Leben gerufen, auf dem ich einen Einblick in mein Leben mit Rheuma gebe. Ich möchte zeigen, dass eine rheumatische Erkrankung keinesfalls die Lebensenergie rauben sollte, sondern Antrieb sein kann, die superguten Momente doppelt und dreifach zu schätzen.

Durch die positive Resonanz auf Instagram habe ich im Frühjahr 2022 gemeinsam mit meinen behandelnden Ärzten und Therapeuten ein Buch geschrieben. In „Fokus – auf Dich, Deinen Körper und Deine Ziele“ geht es um meine Erfahrungen, aber auch die medizinischen Komponenten der Erkrankung.

Im Herbst 2023 wurde ich zum Patientenbotschafter für die Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR), in dessen Funktion ich auf Kongressen präsent bin und die Patientenposition repräsentieren darf. Zusätzlich bin ich als Trendscout für das Netzwerk Autoimmunerkrankter e. V. aktiv, berichte multimedial (Podcast, TV, Zeitung und Radio) über meine Erfahrungen und als Dozent über diverse Themen rund um rheumatische Erkrankungen.

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20. Juni 2024

Aktualisiert: Broschüre zur Stressbewältigung neu aufgelegt

Zählt Stress zu den Auslösern von chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie Colitis ulcerosa, rheumatoider Arthritis oder Psoriasis? Wann wird die Erkrankung zur Stressquelle und wie lässt sich besser mit Stress umgehen? Diese und viele weitere Fragen beantwortet die AbbVie Care-Broschüre „Stress und Bewältigungsstrategien bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen“, die jetzt in neuer Auflage erschienen ist. Stress begegnet uns überall im Alltag und auch eine chronisch-entzündliche Erkrankung kann sich zur Stressquelle entwickeln. Auf der anderen Seite kann sich Stress ungünstig auf die Erkrankung auswirken. Grund genug für Betroffene, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und Strategien und Wege aus der Stressfalle zu finden. Die aktualisierte Broschüre liefert Wissenswertes sowie viele Tipps und Anregungen zum Phänomen Stress und zum Umgang damit.

Hier herunterladen: AbbVie Care-Broschüre Stress und Bewältigungsstrategien bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen

Stress und Erkrankung: Den Teufelskreis durchbrechen

Kurzfristig mobilisiert Stress zusätzliche körperliche und psychische Kräfte, langfristig führt er zur Erschöpfung. Treffen Stress und eine chronisch-entzündliche Erkrankung aufeinander, kann darüber hinaus ein regelrechter Teufelskreis entstehen: Die Belastung durch die Erkrankung wirkt sich negativ auf den Krankheitsverlauf aus. Verschlechtert sich die Erkrankung, kann das wiederum zu neuer Belastung führen. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, ist neben einer wirksamen Behandlung die positive Krankheitsbewältigung ein entscheidender Schritt. Einen Anhaltspunkt, wie stark die Belastung durch die Erkrankung empfunden wird, liefert das Stressbarometer in der Neuauflage des Ratgebers. Die Beantwortung von 10 einfachen Fragen hilft bei der Einschätzung, ob die Krankheit im Leben die Oberhand gewonnen hat oder die eigenen Bewältigungsmechanismen für ein Gleichgewicht sorgen.

Stress: Die Zeichen erkennen und handeln

Übermäßiger Stress kann sich sowohl körperlich als auch psychisch äußern. Atemschwere, Schlafstörungen und Verspannungen sind mögliche körperliche Anzeichen. Innere Unruhe, Konzentrationsschwäche oder Ängste zählen zu möglichen psychischen Folgen von übermäßigem Stress. Das effektivste Mittel gegen Stress ist die Vermeidung von Belastung. Das lässt sich jedoch nicht immer erreichen. Ist etwa die chronisch-entzündliche Erkrankung die Stressquelle, heißt es, andere Strategien zu entwickeln.

Stressbewältigung und, bezogen auf die Erkrankung, eine positive Krankheitsverarbeitung können helfen, besser mit der Belastung umzugehen. Hinweise, wie ein aktiver Umgang mit der chronisch-entzündlichen Erkrankung unterstützen kann, die Krankheitsbewältigung in eine positive Bahn zu lenken, sind ebenfalls Inhalt der aktualisierten Broschüre. Darüber hinaus ist dem Thema Entspannung ein Kapitel gewidmet, denn sie spielt eine zentrale Rolle beim Stressabbau. Der richtige Weg im Umgang mit Stress und auch mit der chronisch-entzündlichen Erkrankung muss individuell gefunden werden. Einen Überblick und viele praktische Informationen und Ideen, um eine positive Richtung dabei einzuschlagen, gibt die AbbVie Care-Broschüre.

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18. Juni 2024

Interview: Sexualität und Beziehung mit chronischer Erkrankung

Dr. Stephanie Kossow aus Berlin, ist Fachärztin für Allgemeinmedizin, Sexualmedizin und Psychotherapie. Durch ihre Tätigkeit in ihrer Praxis für Sexualmedizin, Paartherapie und Psychotherapie ist sie mit den besonderen Herausforderungen vertraut, die durch eine chronisch-entzündliche Erkrankung wie Colitis ulcerosa, Psoriasis oder rheumatoide Arthritis für Partnerschaften und das Sexualleben entstehen können. Im Interview berichtet sie von den möglichen Auswirkungen und davon, was zu einer guten Beziehung und Sexualität beitragen kann.

Wenn eine chronisch-entzündliche Erkrankung festgestellt wird, was kann das für das Beziehungsleben bedeuten?
Dr. Stephanie Kossow: Jede Erkrankung oder auch Therapie kann sich auf mindestens drei Dimensionen auswirken. Sie kann zum Beispiel erstens die Beziehung auf emotionaler Ebene verändern, wenn sich die Bedürfnisse verändern, ein*e Partner*in z. B. mehr Nähe braucht oder weniger Nähe geben kann als zuvor; oder das Auftreten einer Erkrankung kann das Gefühl von Verbundenheit verstärken oder verringern. Konflikte und Streitigkeiten können sich verlagern.

Es kann sich zweitens auch die Sexualität verändern, wenn eine Erkrankung auftritt – vielleicht gibt es zunächst weniger Lust auf Sexualität oder die praktischen Möglichkeiten, Sexualität zu erleben, verändern sich. Eventuell verändert sich auch der Körper oder das Körpergefühl.

Drittens können sich Themen aus dem Bereich Kinderwunsch, Schwangerschaft und Fortpflanzung verändern. Und auch ganz praktisch kann sich natürlich eine Erkrankung auf den Beziehungsalltag auswirken: Arzttermine, Therapietermine, Medikamente nehmen, mit Symptomen oder Nebenwirkungen umgehen lernen, Verschiebungen in den Zuständigkeiten etc.

Offen reden oder mit den eigenen Gefühlen und Gedanken eher zurückhaltend sein – was halten Sie für die bessere Strategie?
Dr. Stephanie Kossow: Es gibt da keine pauschale Antwort, die für alle passt. Generell ist in einer Beziehung meiner Erfahrung nach das offene Gespräch für die Beziehungspflege und den Austausch hilfreich, um in Verbindung zu bleiben. Das soll gleichzeitig keine Aufforderung sein, dem bzw. der Partner*in um jeden Preis alles zu offenbaren. Manchmal gibt es gute Gründe, das nicht zu tun. Wenn die Kommunikation schwerfällt, lohnt es sich, Unterstützung zu holen.

Was sollten die Beziehungspartner*innen bei der Kommunikation beachten, um einen guten Weg miteinander und mit der chronisch-entzündlichen Erkrankung zu finden?
Dr. Stephanie Kossow: Aus meiner Sicht sind zwei Dinge sehr hilfreich für die Kommunikation: Bedürfniskommunikation und Emotionsregulation.

Die eigenen Bedürfnisse und Wünsche, ganz basal zum Beispiel nach essen, schlafen, trinken, aber auch nach Zuwendung, Aufmerksamkeit, Ruhe, Spiel und Spaß, Selbstwirksamkeit oder was auch immer es ist, selbst zu spüren, ist schon Teil der Herausforderung. Wenn es gelingt, diese auch der Beziehungsperson mitzuteilen, kann das bei der Bewältigung der Herausforderungen helfen, die eine chronische Erkrankung den Partner*innen stellt. Das bedeutet nicht, dass eine*r für die Erfüllung der Bedürfnisse der bzw. des anderen automatisch zuständig ist oder alles machen muss. Wichtig ist wie immer, im Gespräch zu bleiben.

Emotionsregulation bedeutet, die eigenen Emotionen wahrzunehmen, zu schauen, wo sie herkommen und was sie zu sagen haben, und dann damit einen Umgang zu finden. Wenn wir also mit uns selbst und mit der bzw. dem Partner*in gut im Kontakt sind, können auch schwierige Situationen navigiert werden.

Wie lässt sich das in der Kommunikation konkret umsetzen?
Dr. Stephanie Kossow: Etwas praktischer gesprochen ist es z. B. hilfreich,

  • gut und aktiv zuhören zu können, ohne direkt reagieren zu müssen.
  • sich selbst authentisch der anderen Person, auch verletzlich, zeigen zu können.
  • nicht nur die Beziehung im Blick zu behalten, sondern auch den Zustand jeder Einzelperson. Jede*r sollte selbst auch gut für sich sorgen.
  • Grenzen klar zu kommunizieren und einzuhalten.
  • (neu aufgetretene) Belastungen zu verteilen, vielleicht auch andere Personen zu Hilfe zu bitten. Das können Freund*innen oder Familie sein oder auch therapeutisches Fachpersonal.
  • Gespräche als Übungs- und Forschungsfeld zu begreifen, es wird mit der Zeit leichter!

Meine ebenso simple wie wirksame Hauptempfehlung ist, sich wirklich regelmäßig geplant zum Gespräch über sich und die Beziehung zu verabreden.

Welche Auswirkungen kann eine chronisch-entzündliche Erkrankung auf die Sexualität haben?
Dr. Stephanie Kossow: Die Auswirkungen können je nach Erkrankung und Therapie sehr unterschiedlich sein. Ein gemeinsamer Nenner sind sexuelle Funktionsstörungen, zum Beispiel weniger Lust auf Sex oder Schmerzen beim Sex, vielleicht fällt es schwerer, erregt zu werden. Es kommt zu Leistungsdruck und Ängsten.

Auch das Körperbild und die „gefühlte Attraktivität“ können sich verändern. Durch Hauterscheinungen oder einen künstlichen Darmausgang (Stoma) kann es sich schwieriger anfühlen, sich nackt zu zeigen. Vielleicht machen einem auch Müdigkeit (Fatigue), Durchfall, Bauch- oder Gelenkschmerzen, Juckreiz das Leben schwer und man hat dadurch gar keine innere Kapazität mehr für die Sexualität. Für Partner*innen kann sich das auch wie eine Ablehnung anfühlen.

Fortpflanzung gehört ja auch zu Sexualität, auch da kann die Erkrankung Fragen aufwerfen. Andererseits kann Sex oder auch Solosex (Masturbation) eine gute Möglichkeit für Entspannung und Wohlbefinden, für eine bessere Lebensqualität sein.

Wenn die chronisch-entzündliche Erkrankung ihren Schatten auf die Partnerschaft oder auch die Sexualität wirft – wann ist es Zeit, sich Hilfe zu suchen, und wer ist die richtige Ansprechperson?
Dr. Stephanie Kossow: So früh wie möglich und so viel wie nötig. Ein guter Marker ist der Leidensdruck. Wenn eine*r das Gefühl hat, etwas lässt sich nicht gut aussprechen oder verändern, wenn die Stimmung längere Zeit gedrückt ist, wenn Belastungssymptome wie Schlaflosigkeit, Grübeln, Anspannung auftreten, ist es Zeit.

Wenn jemand daran denkt, sich Hilfe zu suchen, darf er bzw. sie sich Hilfe suchen. Die richtige Ansprechperson ist eine Person mit fundierter therapeutischer Ausbildung, der vertraut werden kann und bei der man sich aufgehoben fühlt. Die konkrete Methode ist oft zweitrangig, jedoch ist es natürlich hilfreich, wenn das Verfahren zum Problem passt. Paar- und Sexualtherapie sind keine geschützten Begriffe, daher ist es günstig und üblich, sich bei der Person über die Qualifikation zu erkundigen.

Bei psychischen Erkrankungen ist in der Regel eine Einzel- oder Gruppenpsychotherapie indiziert. Bei sexuellen Problemen empfiehlt sich eine Paar- oder Einzeltherapie mit Schwerpunkt Sexualität. Bei psychisch gesunden Menschen mit begrenzten Themen kann auch eine Fachberatung zum jeweiligen Thema (z. B. Erziehungsberatung, finanzielle Beratung, Hilfsmittelberatung etc.) hilfreich sein. Auch Selbsthilfevereinigungen sind gute Anlaufstellen, sie sind oft gut vernetzt oder haben den einen oder anderen Tipp.

Gute Beziehungen schützen unsere Gesundheit. Wir können durch gute Beziehungspflege unsere Körper positiv beeinflussen. Es lohnt sich auch für unsere Nerven- und Immunsysteme, Freundschaften und Partnerschaften wichtig zu nehmen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Viele weitere Informationen zum Thema bietet die AbbVie Care-Broschüre „Partnerschaft, Sexualität und Familienplanung mit chronisch-entzündlicher Erkrankung“.
Zum Download

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15. Mai 2024

AbbVie Care-Onlineportal: Aktuelle Informationen im neuen Look

Das AbbVie Care-Onlineportal informiert verlässlich, umfassend und gut verständlich zu einer Vielzahl von Erkrankungen. Nun wurde das vielseitige Internetangebot des BioPharma-Unternehmens AbbVie für Patient*innen und Interessierte aktualisiert und strahlt im neuen modernen Look. Mehr erfahren

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22. April 2024

Online-Seminar: Gut informiert am Welt-Morbus-Bechterew-Tag

Zum Welt-Morbus-Bechterew-Tag am 4. Mai 2024 lädt die Deutsche Vereinigung Morbus Bechterew (DVMB) e. V. zu einem hybriden Arzt-Patienten-Seminar ein. Das abwechslungsreiche Programm bietet umfassende Informationen zur entzündlich-rheumatischen Wirbelsäulenerkrankung. Mehr erfahren

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