23. April 2018
„Chemsex“ und Schutz vor Hepatitis C
„Chemfriendly“, „Chems“, „parTy“ … Wer auf schwulen Datingplattformen surft, stolpert schnell über Profile, die auf den Konsum von Drogen beim Sex hinweisen. Der Begriff „Chems“ steht dabei für Partydrogen.
Die enthemmende Wirkung von Partydrogen beim Sex kann aber auch dazu führen, dass man es mit Safer Sex nicht mehr so genau nimmt. Das berichten auch Druguser in Studien: Sie geben an, dass sie beim Gebrauch von Chems Schwierigkeiten haben, ihr Safer-Sex-Wissen in die Praxis umzusetzen. Das birgt das Risiko, sich mit HIV, Hepatitis C oder anderen sexuell übertragbaren Krankheiten (kurz STIs für engl. Sexually Transmitted Infections) anzustecken. Daher veranstalteten wir auf den 17. Münchner AIDS- und Hepatitis-Tagen eine Diskussionsrunde, die sich ganz diesem Thema widmete.
Mit auf dem Podium saß Jan Großer. Der Psychiater ist ehrenamtlicher Mitarbeiter des Beratungsteams der Schwulenberatung in Berlin und bietet Workshops zum Thema „Sex, Drogen und Sehnsucht“ an. Wir haben mit ihm über Hepatitis C und Chemsex gesprochen.
Fragen:
Wie denkt die Community über Chemsex und mit welchen Themen und Problemen kommen Männer, die Chems zum Sex nehmen, auf Sie zu?
In der Community gibt es verschiedene Lager: Auf der einen Seite die Leute, die Drogen und den Sex mit Chems-Usern strikt ablehnen. Auf der anderen Seite gibt es die, für die der Einsatz von Drogen beim Sex seit Jahrzehnten wie selbstverständlich dazugehört. Sex auf Drogen macht ihnen mehr Spaß und ist für sie befriedigender.
Zu mir kommen dann Patienten mit Partnerschaftsproblemen und mit Problemen, die auf den ersten Blick gar nicht im Zusammenhang mit Drogenkonsum zu stehen scheinen. Das sind dann zum Beispiel Depressionen oder das Gefühl, im Leben und beruflich nicht voran zu kommen.
Es stellt sich oft heraus, dass der Drogenkonsum im Hintergrund bereits zu einer starken Einschränkung des Lebens geführt hat, weil sich alles nur noch um Arbeiten, Schlafen und das nächste Sexdate dreht. Viele Hobbies und Interessen sind weggefallen, vielfach auch die Motivation, sich in sozialen Beziehungen und im Beruf zu engagieren.
Was wissen die Männer, die an Ihren Workshops teilnehmen, zum Thema Hepatitis C und STIs?
Ich habe den Eindruck, dass hier in Berlin die meisten sehr gut über sexuell übertragbare Krankheiten informiert sind. Bei Menschen, die aus osteuropäischen Ländern kommen oder zu uns geflüchtet sind, ist der Wissenstand oft sehr gering. Da gibt es viele Missverständnisse. Berlin ist immer noch Partyhauptstadt. So wird die Stadt von Sextouristen besucht, um hier was zu erleben.
Das Thema Hepatitis C ist stigmatisiert. In der Schwulenszene gab es einfach auch Angst vor der Therapie und der Mythos, dass die Behandlung lange dauert und zu schweren Nebenwirkungen führt, hält sich noch. Ich denke aber, dass sich das ändern kann, weil die neuen Hepatitis-C-Medikamente den Schrecken vor der Behandlung nehmen können.
Wird die Gefahr, die von Chemsex ausgeht, in der Community unterschätzt?
Ja, in jedem Fall. Ich sehe in meiner Arbeit viele Leute, die schon sehr akute Probleme in ihrem Leben haben und das nicht mit ihrem Drogenkonsum in Verbindung bringen. Das sind dann psychologische Probleme, aber auch schon Probleme bei der Arbeit oder in der Partnerschaft.
Ich rate jedem, sich Gedanken darüber zu machen, was er eigentlich vom Sex will, wonach er sich sehnt. Und dann sollte er sich die Frage stellen, ob Drogen der richtige Weg sind, das zu erreichen oder ob Chems die tatsächliche Erfüllung einer Sehnsucht nicht erst unmöglich machen.
Darüber hinaus kann Chemsex akut natürlich auch mit einem so großen Kontrollverlust verbunden sein, dass man das, was man über Safer Sex weiß, in der Praxis nicht mehr umsetzt. Und da liegt dann die eigentliche Gefahr für die Übertragung des Hepatitis-C-Virus, HIV und anderer STIs.
Mögliche Übertragungswege für das Hepatitis-C-Virus
Das Hepatitis-C-Virus wird durch Blut-zu- Blut-Kontakte übertragen, wobei es unterschiedlichste Infektionswege gibt. Schon eine winzige Menge reicht aus, um sich anzustecken. Sex-Partys, auf denen Drogen konsumiert werden, sind eine Risikosituation. Mögliche Übertragungswege sind grundsätzlich:
- Ungeschützter Geschlechtsverkehr (mit Blutkontakt)
- Gemeinsame Verwendung von Gebrauchsgegenständen
- Gemeinsamer Gebrauch von Spritzen und Röhrchen
- Infektion durch Nadelstichverletzungen
- Infektionen durch verunreinigte Geräte bei Piercings oder Tätowierungen
- Übertragungsrisiko bei der Geburt von Mutter zu Kind
Wer auf Drogen beim Sex nicht verzichten will, für den sollte der regelmäßige Check auf Hepatitis C genauso selbstverständlich sein wie der auf STI- und ggf. HIV-Test. Viele schwule Checkpoints bieten einen Schnelltest auf Hepatitis C an, oft gegen eine geringe Gebühr. In vielen Gesundheitsämtern und bei Ärzten, die sich auf Infektionskrankheiten spezialisiert haben, kann man den Test meist kostenlos machen, wenn ein Risiko vorliegt.
Weitere Informationen finden Sie auf unserer Infobroschüre zu Chemsex & Hepatitis C.