27. Juni 2018
Drogensucht und Hepatitis C: „Die Heilung hat mir neuen Lebensmut gegeben“
Wir haben mit Iris K. gesprochen. Sie war über 30 Jahre von Kokain abhängig, das sie sich intravenös gespritzt hat. Dabei hat sie sich mit dem Hepatitis-C-Virus (oft auch abgekürzt mit HCV) angesteckt. Vor kurzem hat sie eine der modernen, interferonfreien Hepatitis-C-Therapien gemacht. Seitdem ist sie von der Infektion geheilt.
Menschen, die intravenös Drogen konsumieren, haben ein besonders hohes Risiko, sich mit dem Hepatitis-C-Virus anzustecken. Eine Studie des Robert Koch-Instituts von 2016 zeigte, dass der Anteil der Menschen mit einer Hepatitis-C-Erkrankung unter injizierenden Drogengebrauchern in Deutschland bei 54 % liegt.
Iris K. hat die Heilung von Hepatitis C neue Lebenskraft gegeben: Sie hat eine Substitutionstherapie begonnen, um die Sucht vollständig hinter sich zu lassen.
Wie haben Sie von Ihrer Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus erfahren?
Das war 1996 als ich eine Haftstrafe wegen Drogenbesitzes antreten musste. Im Gefängnis wird standardmäßig ein Bluttest gemacht. Die Diagnose hat mich schockiert. Damals waren die Heilungschancen ja noch eher schlecht. Unter Drogensüchtigen sah man Hepatitis C als sicheres Todesurteil. Ich habe noch drei weitere Tests machen lassen, bevor ich das geglaubt habe.
Wie ging es nach der Diagnose für Sie weiter?
In Haft habe ich keine Therapie erhalten, da wurden nur die Symptome behandelt. Bei mir war die Erkrankung schon so weit fortgeschritten, dass ich Schmerzmittel nehmen musste. Als ich später nochmal in Haft kam, wurde zusätzlich eine HIV-Infektion festgestellt. Danach bekam ich dann eine Therapie mit Interferon, die zumindest die HCV-Infektion heilen sollte. Die habe ich jedoch dreimal gestartet und abgebrochen, weil es mir dabei so schlecht ging – ich sah damals schlimmer aus als zu der Zeit, in der ich voll auf Drogen war.
Nun sind Sie erfolgreich mit einer modernen Therapie ohne Interferon behandelt worden. Wie kam es dazu?
Mir war meine Gesundheit immer wichtig. Nach meiner letzten Haftentlassung war ich clean und bin direkt zum Infektiologen gegangen. Dieser hat meine Situation sehr gut verstanden, mich sehr umfassend informiert und untersucht. Ich habe dann eine der neuen Therapien gestartet. Ein Pfarrer, der viel mit Drogensüchtigen arbeitet, hat mich ermutigt. Er hat mir auch erzählt, dass es neue Behandlungsmöglichkeiten gibt und dass Hepatitis C heilbar ist. Ohne seinen Zuspruch hätte ich nicht den Mut gefunden, überhaupt zum Arzt zu gehen.
War es für Sie ein schwerer Schritt zum Arzt zu gehen?
Ja, da war sehr viel Scheu und Scham mit dabei. Als Drogensüchtige wird man oft abgestempelt. Ich habe es schon erlebt, dass mich Ärzte nur mit Mundschutz behandelt haben – obwohl die Hepatitis-C-Erkrankung so gar nicht übertragen werden kann. Deshalb bin ich auch heute noch so glücklich über den Arzt, den ich damals gefunden habe. Der macht nicht nur seinen Job, sondern ist mit Herzblut dabei. Mit ihm kann ich über alles sprechen. Er macht einem Mut und sagt: ‚Wir finden raus, was du hast und wir kriegen es hin!‘ Das kennen wir Drogensüchtige sonst nicht.
Wie haben Sie die Therapie erlebt?
Da ich eine Substitutionstherapie mache und gleichzeitig auch Medikamente gegen HIV einnehme, habe ich das Medikament jeden Morgen beim Substitutionsarzt eingenommen. Aber ich muss sagen, dass ich die Therapie sehr gut vertragen habe. Ich habe an mir keine Nebenwirkungen festgestellt, vor allem blieben die Depressionen aus, wie ich sie unter Interferon hatte.
Sie sind nun von der Hepatitis-C-Erkrankung geheilt. Wie fühlt sich das heute für Sie an?
Mich hat das sehr ermutigt. Ich habe mir gedacht: „Wenn das sogar bei mir geht, obwohl ich mit HIV noch eine andere Erkrankung habe, dann geht das bei anderen genauso.“ Deshalb bin ich aktiv geworden und habe vielen aus der Szene von der Therapie erzählt. Auch, dass diese jetzt ohne Interferon ist, denn viele haben damit ja schlechte Erfahrungen gemacht. „Wenn ich nur einen einzigen Menschen erreiche, dann bin ich schon glücklich“, habe ich mir damals gesagt. Jetzt sind schon sechs Menschen wegen meines Zuredens in Behandlung gegangen.
Gibt es etwas, das Sie anderen Menschen mit Hepatitis C mit auf den Weg geben wollen?
Man darf niemals aufgeben. Ich war so oft am Boden, war mit Hepatitis C erkrankt und habe HIV. Aber man kriegt es hin! Ich hatte das Glück, dass mich viele Menschen unterstützt haben und mir im richtigen Moment auch mal einen Tritt in den Hintern gegeben haben. Jetzt habe ich es geschafft: Ich bin von Hepatitis C geheilt, habe eine Wohnung und arbeite in einer Drogenberatung. Mein großer Traum ist es, mich zur Streetworkerin ausbilden zu lassen. Und auch das werde ich schaffen!